Gazette Neue Musik in NRW - Ausgabe Januar 2022

Gewesen: 10 Jahre ensemble hand werk

Angekündigt: Frakzionen-Festival in Bielefeld – Kosmos Luciano Berio in Essen – Ensemble Modern in Köln – Zeitinsel Adámek in Dortmund u.v.a.m.

 

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[10 Jahre ensemble hand werk]

 

Während wir womöglich auf den nächsten Lockdown zutaumeln und die Kulturszene sich arg zerzaust über Wasser zu halten versucht, ist es schön, wenn es zwischendurch auch einmal etwas zu feiern gibt. Eine Gelegenheit dazu gab es am 19.12. in der Alten Feuerwache in Köln, wo das ensemble hand werk seinen 10. Geburtstag zelebrierte. Von den sechs Gründungsmitgliedern waren Daniel Agi (Flöte) und Niklas Seidl (Cello) mit von der Partie, mit Heni Hyunjung Kim und Lola Rubio wurden im Laufe der Jahre Klarinette und Violine neu besetzt, am Klavier saß Thibaut Surugue und am Schlagzeug Moritz Koch, woraus sich fast die klassische Pierrot-Lunaire-Besetzung ergibt. Für die Sprechstimme fühlen sich bei Bedarf alle verantwortlich und überhaupt ist Vielseitigkeit und Flexibilität Trumpf, wie das Konzertprogramm einmal mehr unter Beweis stellte. Große Namen stehen neben noch nicht so Etablierten, neue neben älteren Werken, denn guten Stoff nach der Uraufführung nicht in der Versenkung verschwinden zu lassen, ist ein wichtiges Anliegen des Ensembles. Das bescherte uns diesmal die Wiederbegegnung mit Gérard Grisey hochvirtuosem und spannungsgeladenem Werk TALEA, einer – wie Grisey es beschreibt – unerbittlichen Maschine, aus der im weiteren Verlauf Unkraut und wilde Blumen sprießen. Turbulent geht es auch in Vladimir Gorlinskys Bramputapsel zu: Fast überfallartig starten Bassflöte und Bassklarinette als blökendes Duett, halten plötzlich inne, um in zartere Gefilde abzuheben, und stürzen sich unvermittelt wieder ins Chaos.

Die Musiker verstehen nicht nur ihr instrumentales Handwerk, sondern haben auch konzeptuelle und theatrale Stücke im Repertoire, aber auch hier ist weniger mehr, ist Präzision wichtiger als multimedialer Overkill. In Dieter Schnebels Poem für 2 Rümpfe aus Zeichen-Sprache genügen zwei mit bewundernswerter Genauigkeit sich beugende Körper. Selbst Irene Galindo Queros vergleichsweise üppig bestücktes Werk contención. cautiviero (Eindämmung. Gefangenschaft), bei dem Instrumente, gesprochene und unausgesprochene Worte, Manipulationen am Mikrophon und Zuspiel zusammenkommen, wird bestimmt von zarten Momenten zwischen den Zeilen und Klängen, von Säuseln und Pfeifen, hingehauchten Silben und mehr ahn- als ortbaren Windgeräuschen. Und auch für (abgründigen) Humor ist man zu haben, zum Beispiel wenn Jessie Marino in seinem Stück Endless Shrimps einen makabren Bilderreigen, der uns die industrielle Massenproduktion von Lebensmitteln in gleichzeitig sterilen und abstoßenden Bildern vor Augen führt, mit einer nicht minder absurden Geräuschkulisse garniert, bei der u.a. knarzende Kartoffelchips zum Einsatz kommen.

Was immer hand werk anpackt, es wirkt bei aller Präzision so unaufgeregt und unprätentiös, dass es ernsthaft Spaß macht, und dieser Ansatz hat das Ensemble bereits zu wichtigen Festivals und um die halbe Welt geführt: nach Darmstadt und Witten, nach Singapur und Manila, selbst nach Bayreuth ins Haus Wahnfried. Doch so weit brauchen wir zum Glück nicht zu reisen, da sie regelmäßig in der Feuerwache zu Gast sind. Das nächste Mal am 23.2.2022. Aktuell ist hand werk zudem im Museum Ludwig zu erleben: Für die Ausstellung Boaz Kaizman. Grünanlage haben sie ein Stück eingespielt, dem die Transformation eines Gedichts des Künstlers in Musik zugrunde liegt.

 

[Termine im Januar]

 

Ob bzw. unter welchen Umständen die angekündigten Konzert stattfinden, wird sich wohl erst kurzfristig entscheiden – also unbedingt vorher erkundigen.

 

Köln

 

In der Philharmonie stehen das Ensemble Modern mit Uraufführungen von Poppe und Ratkje am 6.1., Penderecki und Heuke am 9.1., Unsuk Chin am 16.1., Vito Žuraj am 16., 17. und 18.1., Philip Glass am 23.1., John Adams am 27.1. und Jörg Widmann am 30.1. auf dem Programm. Die Musikfabrik erwartet zum Konzert am 10.1. die Oudspielerin Yasamine Shahhosseini und am 24.1. die Mezzosopranistin Sarah Maria Sun und der Saxophonist Marcus Weiss und das WDR Sinfonieorchester spielen am 15.1. im Funkhaus 'Musik der Zeit'. Die Kunsthochschule für Medien präsentiert in der Reihe 'soundings' am 13.1. das Damenquartett 120 DEN und in der Reihe Raum-Musik des Musikwissenschaftlichen Instituts der Uni Köln ist Hildegard Westerkamp am 28.1. in einem Online-Vortrag zu erleben. Die Hochschule für Musik und Tanz startet das neue Jahr mit 'Neue Musik Abenden' am 14. und 15.1., einem Kompositionsabend am 15.1., 'Diversen Identitäten' am 17.1. und einem Workshop 'zeitgenössisches Lied' unter der Leitung von Moritz Eggert mit einem Abschlusskonzert am 23.1. Die nächste Soirée Sonique ist für den 26.1. geplant.

Fast tägliche Events sind im Loft zu erleben und jeden 2. Dienstag im Monat funkt 674.fm Elektronik und Klangkunst in den Äther. Weitere Termine und Infos finden sich bei kgnm, Musik in Köln sowie ON – Neue Musik Köln und Veranstaltungen mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt Köln.

 

Ruhrgebiet

 

Das Dortmunder Konzerthaus widmet seine nächste Zeitinsel vom 27. bis 30.1. Ondrej Adámek. Mit dabei sind u.a. das Ensemble Resonanz, die Geigerin Isabelle Faust und natürlich die Airmachine und zum Auftakt findet am 23.1. ein Workshop statt. Außerdem erklingt im Konzerthaus am 18.1. Musik von Sofia Gubaidulina und Eleanor Alberga. Im Domicil steht am 20.1. die Großformation The Dorf auf der Bühne.

 

In ihrem 6. Philharmonischen Konzert interpretieren der Tenor Klaus Florian Vogt und die Duisburger Philharmoniker am 19. und 20.1. Hans Zenders komponierte Version der Winterreise.

 

In der Essener Philharmonie vergönnt uns Gordon Kampe am 6. und 7.1. einen Vorgeschmack auf seine Oper Dogville und am 21.1. wird als Nachschlag zum NOW!-Festival das Kompositionsprojekt Soundlab präsentiert. Die Folkwang-Universität kündigt Kompositionen von Folkwang Lehrenden am 10.1., Tape Sessions am 13. und 20.1., Frische Klänge am 19.1. (Standort Duisburg) und am 24.1., das Impr%rchester am 21.1., Masterabschlüsse Neue Musik am 26. und 31.1. und ein Konzert der Integrativen Komposition am 28.1. an. Außerdem ist am 29.1. das Klavier-Festival Ruhr mit zwei Veranstaltungen zu Luciano Berio zu Gast – mit Sarah Maria Sun und der Musikfabrik als Interpreten.

 

Düsseldorf

 

Der Klangraum 61, der gerade an einer neuen Website bastelt, veranstaltet am 8.1. ein Neujahrskonzert in der Neanderkirche und am 15.1. wird das Kommas-Ensemble in der Robert Schumann Hochschule erwartet.

 

Sonstwo

 

Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik beschäftigt sich am 7.1. in der Reihe 'Hören und Sprechen über neue Musik' mit Claus Kühnl.

 

Im Theater Bielefeld hat am 8.1. der Tanzabend Puls zu einer Neukomposition von Francesco Antonioni Premiere und die cooperativa neue musik veranstaltet am 10.1. den nächsten Jour fixe. Vom 14. bis 16.1. findet in der Zionskirche das Festival Frakzionen statt und am gleichen Ort sind außerdem Olivier Messiaens La Nativité du Seigneur am 2.1, Der rote Ahorn – ein Musik-Sprechtheaterstück von Johannes Fritsch – am 9.1., Klanginstallationen von Bernd Bleffert am 10.1. und ein Improvisationskonzert am 30.1. zu erleben.

 

Die Detmolder Hochschule für Musik präsentiert am 28.1. ein Konzert mit dem Ensemble Earquake.

 

Das Ensemble Horizonte zelebriert am 21.1. in der St. Marienkirche in Minden mythische Momente.

 

In der Black Box in Münster finden ein Improvisationskonzert am 2.1. und ein Konzert mit Julia Brüssel & Jonas Gerigk am 9.1. statt.

 

Das Studio für Neue Musik der Uni Siegen kündigt Musik von Ludwig van Beethoven, Martin Herchenröder, Bruno Mantovani und Enno Poppe mit dem Kuss Quartett am 17.1. und ein studentisches Filmprojekt mit Architektur, Licht, Musik und Performance am 26.1. in Altenberg an.

 

Im Wuppertaler ort stehen Baby Sommer & Die Brüder Lucaciu am 9.1. und FleischWolf plus Jonas Gerigk am 22.1. auf dem Programm, im von der Heydt-Museum erklingt am 20.1. Der bunte Klang und der Umlandkalender kündigt für den 8.1. das von Gunda Gottschalk entwickelte Post Babel-Projekt an (mit Folgeaufführungen am 9.1. in Bochum und Bonn.)

 

Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.

 

Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW

 

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