Gazette: Neue Musik in NRW - Ausgabe Januar 2017

von Petra Hedler

Gewesen: 30 Jahre Kinderkompositionsklasse Düsseldorf – 30 Jahre EZM
Angekündigt: NRW-Tournee Stationen – Frakzionen-Festival in Bielefeld u.v.a.m.


[30 Jahre Kinderkompositionsklasse Düsseldorf – 30 Jahre EZM]

Im Dezember wurden gleich zwei 30-jährige Jubiläen begangen, die die Förderung des Nachwuchses betreffen. Eher familiär ging es am 9.12. in der Düsseldorfer Tonhalle zu, wo das Notabu-Ensemble David Paul Graham ein Konzert widmete. Graham wurde 1951 in Stratford-upon-Avon geboren, kam 1980 zum Studium bei Hans Werner Henze nach Köln und folgte diesem 1983 nach Italien, wo er an der Musikschule von Montepulciano eine Kinderkompositionsklasse aufbaute. Dieses Wirken setzte er in Düsseldorf fort, wo er 30 Jahre lang – bis zu seiner kürzlich erfolgten Verabschiedung in den Ruhestand – an der Clara-Schumann-Musikschule jungen Menschen ab 10 Jahren, teilweise jünger, das Komponieren nahe brachte. Dass es dabei um weit mehr ging als um die Vermittlung von Techniken, machte das einführende Gespräch mit einigen seiner Schüler deutlich. Als ausschlaggebend erlebten sie die Ermutigung, den eigenen Fähigkeiten zu trauen und Neuland zu erkunden, sowie die Gewissheit, dabei einen wohlwollenden und engagierten Mentor an ihrer Seite zu haben. David war selbst zu später Stunde noch ansprechbar, schreckte auch vor ausuferndem Telefon- und Emailverkehr nicht zurück und schaffte es dann noch, den zarten Kompositionspflänzchen zur Aufführung zu verhelfen. Das alles – auch das vermittelte sich im Gespräch – ohne Allüren und Besserwisserei. Graham räumte sogar ein, dass auch er vom gegenseitigen Austausch profitierte und so seine anfangs eher konservative Haltung erweiterte. Das Ergebnis seines 30-jährigen Wirkens brachte das anschließende 'Drei-Generationen-Konzert' zu Gehör, das eigentlich ein Vier-Generationen-Konzert war, denn neben Henze und Graham waren die Jahrgänge 1970 bis 1999 vertreten. Zu seinen bekanntesten Schülern gehören sicherlich Peter Gahn (*1970) und Birke Bertelsmeier (*1981), letztere erst kürzlich mit dem Förderpreis der Ernst-von-Siemens Musikstiftung geadelt. Andreas Kunstein (*1967) setzte seine Studien an der Folkwanghochschule fort und lebt heute als Komponist in Rotterdam. Zu den jüngsten Schülern zählen Valentin Ruckebier (*1997) und Leander Ruprecht (*1999). Ruckebier ist inzwischen Jungstundent von Manfred Trojahn an der Robert Schumann Hochschule. In einer WDR-Doku kann man mitverfolgen, wie er gemeinsam mit seiner Mutter der Aufnahmeprüfung entgegenfieberte. Für das Jubiläumskonzert steuerte er als neues Werk Inannas Botschaft für Flöte und Schlagzeug bei. Das nach einer sumerischen Göttin benannte Stück ist vor allem von Kontrasten geprägt, wobei elegische Flötenlinien auf energiegeladene perkussive Aktionen treffen. Leander Ruprecht studiert inzwischen Komposition bei Günter Steinke an der Folkwanghochschule. Das Notabu-Ensemble hob Way (12333) aus der Taufe, ein lebhaftes Stück voller kleiner Eskapaden, „changierend zwischen Kontinuität und Unregelmäßigkeit“, auf der Suche und trotzdem prägnant. So standen auch in Grahams Abschieds- bzw. Jubiläumskonzert vor allem seine Schüler im Fokus – ganz in seinem Sinne.
Kurz darauf, am 10.12., wurde im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks in Köln das 30-jährige Bestehen der Edition Zeitgenössische Musik gefeiert. Die vom Deutschen Musikrat geförderte Reihe hat schon nahezu 100 Komponisten und Komponistinnen mit Porträt-CDs bedacht. Mit Charlotte Seither und Vito Žuraj nahmen zwei von ihnen an einer einführenden Gesprächsrunde teil und betonten, dass die CD als Visitenkarte und Eintrittsticket in die Szene der zeitgenössischen Musik auch heute noch von Bedeutung ist, auch wenn das Internet inzwischen niedrigschwelligere und flexiblere Verbreitungsformen bereit hält. Dem medialen Wandel wird unter anderem dadurch Rechnung getragen, dass einige CDs (z.B. die von Vito Žuraj) von DVDs begleitet werden und so auch die visuelle Ebene zu ihrem Recht kommt. Voraussetzung für eine Berücksichtigung ist eine Eigenbewerbung, über die in regelmäßigen Abständen ein Beirat befindet (der nächste Einsendeschluss ist der 28.02.2017!). Die Liste der bisherigen Veröffentlichungen liest sich wie ein Who's Who der Neuen Musik. Wolfgang Rihm sucht man allerdings vergeblich, da er sich als langjähriges Mitglied des Beirats nicht selbst auswählen konnte. Dass das Format auch nach 30 Jahren noch sehr lebendig ist, zeigte sich im abschließenden Konzert. Präsentiert von namhaften Interpreten wie den Ensembles Modern, Garage, Musikfabrik und hand werk kamen Komponisten und Komponistinnen zu Gehör, deren CD-Veröffentlichung noch taufrisch ist (Luís Antunes Pena, Marina Khorkova, Jagoda Szmytka und Vito Žuraj) oder unmittelbar bevorsteht (Steffen Krebber, Milica Djordjevic und Simon Steen-Andersen). Auch Ondrej Adámek, der beim letzten Essener NOW!-Festival ausgiebig vorgestellt wurde, gehört zu den erst kürzlich Porträtierten. Auf dem Cover sowie auf der beigefügten DVD lässt sich seine Airmachine bewundern.

[Termine im Januar]

Köln

Das neue Jahr beginnt in der Kunststation Sankt Peter am 1.1. mit Orgelimprovisationen, außerdem stehen Lunchkonzerte am 7., 14., 21. und 28.1., ein Orgelkonzert der Bischöflichen Kirchenmusikschule Essen am 22.1. und ein Konzert von ON Neue Musik Köln am 31.1. auf dem Programm. In der Philharmonie erwarten uns im neuen Jahr Musik von Avner Dorman am 1.1., von Benyamin Nuss, Morton Gould und Friedrich Gulda am 13.1., von Isang Yun am 15.1., von Olga Neuwirth am 22.1. sowie Uraufführungen von Benjamin Attahir und Gregor A. Mayrhofer mit dem Ensemble contemporain am 10.1. Die Hochschule für Musik und Tanz präsentiert am 18.1. in der Reihe 'La Cité des Dames - Frauen im Fokus' die Komponistin Duoni Liu, einen Kompositionsabend am 19.1., das Studio für elektronische Musik am 24.1. sowie Hör:Bilder mit extemporierter Stimmkunst am 25.1. im Domforum.Im musikwissenschaftlichen Institut der Uni Köln kommt am 13.1. Weltraum von Stockhausen zu Gehör und die Kunsthochschule für Medien stellt am 19.1. in der Reihe Soundings John Duncan vor. Die Alte Feuerwache kündigt den Vocal Summit, das vokale Gipfeltreffen der Voice Connection, am 6.1., ein elektronisches Konzert des internationalen Netzwerks female:pressure am 10.1., ein Konzert des Komponistenkollektivs zeitKlang am 12.1. sowie Dorrit Bauerecker als onemanband am 27.1. an, außerdem macht am 20.1. die NRW-Reihe Stationen (s.u.) in der Feuerwache Halt. Beim Chamber Remix treffen am 8.1. Anna Lindblom und Udo Moll aufeinander, in der Trinitatiskirche präsentiert der WDR Rundfunkchor am 21.1. Polarlichter mit zeitgenössischen Kompositionen und das E-Mex-Ensemble gastiert am 27.1. im Konzertsaal BiOs Inn der Rochuskirche. Im Stadtgarten spielt Georg Conrad beim nächsten Tripclubbing am 12.1. seine Carte blanche aus und am 17.1. stellt Udo Moll seine audiovisuelle Konzertperformance ENIAC girls vor. Jede Menge zeitgenössische Musik wie üblich im Loft (z.B. von Stockhausen und Cage am 27.1. und das Intuitive Music Orchestra Cologne am 28.1.) sowie weitere Termine bei kgnm und musik-in-koeln.de.

Ruhrgebiet

Im neuen Konzertsaal der Bochumer Symphoniker kommt am 15.1. George Crumbs Trio Vox balaenae zur Aufführung.

Im Dortmunder Konzerthaus erklingen am 25.1. Werke von Mark-Anthony Turnage und Arlene Sierra und in der Heliand-Kirche ist am 29.1. das Studio Musikfabrik zu Gast.

Der Duisburger Earport kündigt eine musikalische Lesung des Schlosstheaters Moers zum NSU-Prozess am 11.1. und eine Ausstellungsfinissage am 29.1. an.

In der Essener Philharmonie ist am 14.1. Michel van der Aas Reversal als Auftragswerk des Bundesjugendorchesters und des Bundesjugendballetts zu erleben und am 20. und 27.1. werden als Nachklang des NOW!-Festivals die Ergebnisse von Schulprojekten vorgestellt. Die Gruppe Moment veranstaltet am 13.1. in Steele die nächste Laborbegegnung, am 23.1. gastieren die Stationen (s.u.) in der Weststadthalle und am 24.1. spielt das E-Mex-Ensemble in der Evangelischen Kirche Essen-Rellinghausen ein Gedenkkonzert für Gerd Zacher kuratiert von Juan Allende-Blin. Vom 19. bis 21.1. präsentiert das JOE-Festival in den Katakomben neuen Jazz (weitere Sessions am 19. und 26.1. in der Lichtburg) und in der Folkwanghochschule stehen Kompositionen von Lehrenden am 10.1., die Tape Session am 12.1., ein Konzert der Musiktheorieklasse am 16.1., frische Klänge am 18. und 25.1. sowie Improvisationen am 21.1. auf dem Programm. Am 20. und 21.1. präsentiert der Pianist Volker Bertelmann alias Hauschka in der Zeche Zollverein sein Werk New World New Sound ‚Materials‘, das er gemeinsam mit dem Folkwang Kammerorchester Essen erarbeitet hat.

Im Gelsenkirchener Musiktheater im Revier spielen Reinhold Friedrich und die Neue Philharmonie Westfalen am 9.1. B. A. Zimmermanns Trompetenkonzert Nobody knows de trouble I see und am 20.1. kann erneut besichtigt werden wie ingolf wohnt (s. Gazette November 2016).

Düsseldorf

In ihrem Gesprächskonzert zum Thema 'Die Macht der Stimme' am 12.1. im Schloss Benrath präsentiert Alexandra von der Weth Musik von Hildegard von Bingen bis zu Luciano Berio. In ihrem Konzert in der Tonhalle am 26.1. spielen Hélène Grimaud und Sol Gabetta Fratres von Arvo Pärt und am 27.1. findet der 33. Salon Neue Musik im Klangraum 61 statt.

Sonstwo

Der 'Arbeitskreis Neue Musik NRW' schickt bereits zum dritten Mal unter dem Titel Stationen ein Ensemble auf NRW-Tournee. Dafür wurden drei Kompositionsaufträge vergeben, 20 MusikerInnen zusammengebracht und ein umfangreiches Schulprojekt organisiert. Das Ergebnis ist am 19.1. in Aachen, am 20.1. in Köln, am 21.1. in Bielefeld, am 22.1. in Münster und am 23.1. in Essen zu erleben.

Am 19.1. sind die Stationen in der Klangbrücke Aachen zu Gast. Dort ist am 27.1. auch aktueller Jazz zu hören und im Aachener Ableger der Kölner Musikhochschule findet am 27.1. ein Neue-Musik-Konzert statt.

In der Zionskirche in Bielefeld-Bethel findet vom 20. bis 22.1. Frakzionen, das Festival für zeitgenössische Musik in der Kirche, mit 12 Konzerten, einem Gottesdienst und einer Podiumsdiskussion am Vorabend statt. Auch hier sind die Stationen integriert, außerdem wirken u.a. das Ensemble Earquake der Musikhochschule Detmold, das Kölner Kommas-Ensemble und Irene Kurka mit. Schon am 9.1. kann man sich von Jörg-Peter Mittmann beim Jour fixe der cooperativa neue musik auf das Stationen-Konzert einstimmen lassen. Im Theater Bielefeld hat am 14.1. gefördert vom Fonds Neues Musiktheater Marc-André Dalbavies neue Oper Charlotte Salomon Premiere, vorab findet am 8.1. eine Einführung statt.

Das Ensemble Earquake ist außer am 21.1. beim Bielefelder Festival Frakzionen noch einmal am 24.1. in einem Konzert der Detmolder Musikhochschule zu hören. Außerdem kommen die Faust-Szenen für Orgel und Sprecher von Petr Eben anlässlich seines 10. Todesjahrs am 22.1. in der Detmolder Heilig Kreuz-Kirche und am 28.1. in der St. Nicolai-Kirche in Lemgo zur Aufführung.

Im Krefelder TAM finden jeweils freitags um 22 Uhr in einer Ausstellung von Werner Meyer Wandelkonzerte für Schlagzeuger statt.

Im Museum Abteiberg in Mönchengladbach ist aktuell eine Ausstellung von Anne-Mie Van Kerckhoven zu sehen, die sich auch als Musikerin einen Namen gemacht hat. In diesem Rahmen findet am 14.1. eine Performance statt.

In der Musikhochschule Münster machen die Stationen am 22.1. Halt und bereits am 15.1. ist dort Neue Musik für Gitarre aus dem Baltikum zu hören. Am 19.1. gastiert das E-Mex-Ensemble mit einem Konzert zur Sonderausstellung Henry Moore. Impuls für Europa im LWL-Museum.

In der Nicolaikirche in Siegen präsentiert der WDR Rundfunkchor am 13.1. Polarlichter mit zeitgenössischen Kompositionen.

In der Viersener Stadthalle dirigiert Heinz Holliger am 14.1. das WDR Sinfonieorchester u.a. mit Henzes Konzert für Oboe, Harfe und Streicher.

Im Wuppertaler ort wird am 12.1. der Jazz vermessen und am 28.1. gibt es freie Musik im Quartett. Weitere Jazztermine bei jazzage. Im Wuppertaler Ableger der Kölner Musikhochschule stellt sich in der Reihe 'La Cité des Dames - Frauen im Fokus' am 17.1. die Komponistin Duoni Liu vor.

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